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NARZISSTEN
UND
CO-NARZISSTEN

MACHT UND OHNMACHT

Niemand, der es nicht selbst erlebt hat, kann sich wirklich vorstellen, was es bedeutet, das Opfer von narzisstischem Missbrauch in einer Partnerschaft geworden zu sein. Selbst nahe Angehörige und gute Freunde, die nicht im selben Haushalt leben, scheitern, wenn sie versuchen, sich narzisstische Grausamkeit vorzustellen, weil das jede Vorstellungskraft eines normalen, geistig gesunden Menschen sprengt, aber auch, weil der Narzisst gegenüber jedem Außenstehenden in eine Rolle schlüpft, die niemand leicht durchschaut.

Der Narzisst gibt sich sehr hilfsbereit, immer engagiert, anderen zu helfen, er ist ausgesprochen freundlich und überaus eloquent, nachdem er das Gespräch genau auf das Thema gebracht hat, mit dem er am besten glänzen und seine Kompetenz präsentieren kann, sodass er die volle Aufmerksamkeit bekommt. Dabei beobachtet er genau, wie sehr sein Gegenüber an seinen Lippen hängt, ob er bewundert wird, wie viele Komplimente er bekommt. Und wenn das alles geschieht, hat der Narzisst seine Ernte eingefahren, denn genau das ist die Nahrung, auf die er angewiesen ist. Tatsächlich ist Narzissmus eine Krankheit, die auch als Sucht bezeichnet werden könnte.

Ein Narzisst fühlt sich nur dann sicher, wenn er die unangefochtene Pole Position gegenüber einem anderen Menschen hat. Deshalb ist er so hilfsbereit. Ein Retter in der Not hat immer die Pole Position und die Dankbarkeit eines anderen Menschen ist ihm gewiss.

Er wirkt so mitmenschlich, mitfühlend und sympathisch, aber die Hilfe des Narzissten ist nicht auf den Hilfsbedürftigen ausgerichtet und kommt nicht von Herzen, sondern entspringt einem kalten Kalkül.

 

Hilfe ist für den Narzissten ein Mittel zum Zweck, gut dazustehen, in guter Erinnerung zu bleiben, Dankbarkeit, Begeisterung und Bewunderung zu ernten. Die Hilfe eines Narzissten hat immer egozentrische, egoistische und pragmatische Gründe.

 

Seine Hilfsbereitschaft hat noch einen weiteren Grund. Sie kann nämlich die Gefühlskälte des Narzissten wunderbar verschleiern. Ein Narzisst kann für jemand anderen so viel tun und machen, so schnell organisieren, dabei auch noch über die Maßen kreativ sein, dass man sehr leicht auf mitmenschliches Mitgefühl schließen kann. Aber es kommt nicht von Herzen, sondern aus einem kalten Geist, der in der Kindheit anfing zu erkranken.

Es ist kaum vorstellbar, wie sehr der Narzisst außenstehende Personen über sich täuschen kann, wie sehr er die Wahrheit manipulieren kann, wie sehr er auf die Tränendrüse drücken kann, um Mitleid zu erwirken und um selber als Opfer dazustehen. Aber genau das sind harte Fakten. Narzissten lügen, verformen die Wahrheit, bis sie ihnen passt, oder verschweigen, was zu ihrem Nachteil ausgelegt werden könnte. Je nachdem, was ihnen gerade am gewinnbringendsten erscheint.

Die Kunst der kommunikativen Täuschung übt der Narzisst immer je nach seinem Bedarf aus und ohne mit der Wimper zu zucken und beherrscht sie perfekt, sowohl nach außen als auch in der Partnerschaft.

 

Nur, wenn er allein ist, kann er darauf verzichten. Wenn er weiß, dass niemand ihn kennt und niemand ihn beobachtet. Dann fühlt er sich frei und tut genau das, was er tun will, ohne Skrupel, ohne Gewissen, ohne Anstand, ohne Moral.

Ein Narzisst ist zutiefst gierig und neidisch, muss von allem mehr haben als die anderen, muss reicher sein, muss angesehener sein, aber reichen tut es nie. Darunter leidet er tatsächlich und weiß genau, wer die Schuld daran hat: In einer Beziehung ist es normalerweise der/die Partner/in.

 

Aus seinem Leiden heraus ist er aber auch fähig, eine Rolle zu erschaffen, nämlich die des Märtyrers, die er immer dann einsetzt, wenn er den Schuldigen zu Hause in die Knie zwingen will oder wenn er Mitleid bei einer außenstehenden Person erwirken will. Wie in allem, so haben Narzissten auch in dieser Rolle die Pole Position. Niemand kann die Opfer-Rolle so überzeugend spielen wie sie.

Die Zuwendung eines Narzissten erscheint nur bei oberflächlicher Betrachtung persönlich. Tatsächlich ist er nämlich vollkommen unpersönlich, der perfekte Stratege, der sich niemals ausliefert. Er ist ein Machtmensch, für den es nur ein einziges Tabu gibt, nämlich die Ohnmacht.

Und wenn es so scheint, als würde er sich dir in aller Ehrlichkeit zeigen, tut er auch das nur zu dem Zweck und mit dem Ziel, dass du ihm vertraust, weil du von seiner Offenheit so überzeugt bist, dass du dich ihm immer mehr öffnest, ihm letztendlich deine tiefsten Geheimnisse anvertraust und dich ihm damit auslieferst. Dann hat er, was er will: eine hierarchische Beziehung, in der er die Machtposition hat. Du kannst dir sicher sein, dass er diese Position ausbaut und mit Freundlichkeit und kalter Klugheit subtil dafür sorgt, dass du von ihm abhängig wirst. Du kannst dir auch sicher sein, dass er dir seine wirklichen Geheimnisse niemals verraten wird. 

Er manipuliert und niemand merkt es. Das ist sein absoluter Vorteil als Stratege. Er fängt Menschen ein, ohne dass sie es bemerken. Er hat die Macht und er übt sie aus. Subtil, perfide, nuancenreich, konsequent.

Narzissten haben allerdings oft ein Leiden, das sie sich tatsächlich nicht ausgesucht haben, um unübersehbar zu sein und als vermeintliches Opfer eine schöne Portion Zuwendung und Mitgefühl zu bekommen.

Eine echte Depression kann nämlich auf Dauer kaum ausbleiben, wenn ein Mensch dafür lebt, immer gut wegzukommen, überall gut dazustehen, ständig den größtmöglichen Gewinn einzufahren und wenn er jeden Mitmenschen dafür benutzt, sich für ein paar kurze Momente großartig zu fühlen. Wenn jemand dafür lebt, alles und jeden im Griff zu haben, wird er einsam, weil er Ebenbürtigkeit und Nähe fürchtet.

Narzisse

Narzissmus ist eine schwere und normalerweise nicht reversible Persönlichkeitsstörung, die durch Traumatisierungen seit der frühen Kindheit verursacht wurde. Grob gesagt, entsteht Narzissmus als unbewusste Schutzstrategie des Kindes gegenüber einer als existenziell gefühlten Bedrohung durch die wichtigsten Bezugspersonen. Meistens sind es die Eltern oder einer von beiden, die dem Kind nicht die Geborgenheit, die Verbundenheit, die emotionale Sicherheit, die wertschätzende Spiegelung – und zwar auf allen Ebenen - geben, die ein Kind nun einmal braucht. 

 

Eltern werden zu Tätern, ohne es zu wissen oder bewusst zu wollen. Und Kinder werden zu Opfern, die sehr sinnvolle, aber völlig unbewusste Schutzstrategien erschaffen, um überleben zu können. All das gilt für Narzissten und im selben Maße gilt es für Co-Narzissten. Aber die Schutzstrategien des Kindes führen in der Regel zu Tragödien im Leben des Erwachsenen. 

NARZISSTISCHER MISSBRAUCH

Die Opfer geraten in das Netz der Spinne, ohne es überhaupt zu bemerken. Im Gegenteil! Das Love Bombing, welches Narzissten perfekt beherrschen, lässt die Opfer sich geliebt fühlen wie nie zuvor. Sie baden im rosaroten Glück all der Aufmerksamkeit und der vermeintlichen Sensibilität des Narzissten. Und in all ihrer Seligkeit bemerken sie nicht, wie der Narzisst nach einiger Zeit anfängt, subtil eine Schlinge zuzuziehen, die Co-Narzissten unbemerkt immer schwächer werden lässt.

Die Love-Bombing-Phase hängt davon ab, wie lange ein Narzisst von einem Co-Narzissten profitieren kann und zwar auf den unterschiedlichsten Ebenen, von Sex – dann ist die Love-Bombing-Phase vermutlich eher kurz – bis hin zu Karriere – dann kann die Phase Jahre dauern, und zwar so lange, bis der Narzisst auf dem hohen gesellschaftlichen Level angekommen ist, das er mit der Hilfe des Co-Narzissten sehr effektiv und zielstrebig erreicht hat.

Die narzisstische Grausamkeit wird dem Opfer oft erst klar, wenn es sich kaum noch wehren kann. Sie ist aber umso grausamer, als dem Opfer meist nicht geglaubt wird, wenn es jemandem sein Herz ausschüttet. Und der Narzisst ist durchaus in der Lage, diesen Schmerz noch zu vergrößern, indem er sich in der Familie und im Freundeskreis Verbündete an Land zieht - man nennt sie flying monkeys -, die sich mit ihm gegen das Opfer solidarisieren. So kommt zum Leiden unter einer toxischen Beziehung noch das Leiden unter einer Einsamkeit, die das Opfer sich nie hätte vorstellen können. Mit einem so existentiellen Problem allein gelassen zu werden, ist nicht nur eine seelisch-geistige Tragödie, sondern führt oft auch noch zu körperlichen Beschwerden, die zusätzlich belasten.

Da hilft nur eins! Eine Revolution! Von falschen Freunden, die nicht gut tun, sollte man sich verabschieden, aber die eigentliche Revolution muss im Inneren stattfinden.

Jungen entwickeln sich öfter zu Narzissten und Mädchen werden oft zu Co-Narzissten. Beide verhalten sich gemäß ihrer Vorstellung, wie sie am besten überleben und ein Höchstmaß an Sicherheit im Familiensystem herstellen können.

Die einen werden zu vorprogrammierten Tätern und die anderen zu vorprogrammierten Opfern, die sich nicht wehren können, verletzt werden, ausgeliefert sind und deren Selbstbewusstsein kontinuierlich schwächer wird,  bis sie sich fast gar nichts mehr zutrauen. 

Zusammen sind sie die Räder, die so gut zusammenpassen, dass sie sich gegenseitig anziehen, und zwar immer wieder, bis die Traumata der Kindheit und der frühen Entwicklung erkannt, bearbeitet und erlöst werden.

Bis die kindlichen Schutzstrategien erkannt, bearbeitet und erlöst werden. Bis die introjizierte Wertlosigkeit – und die gilt sowohl für den Narzissten als auch für den Co-Narzissten – verwandelt worden ist in die größtmögliche Wertschätzung, Achtsamkeit und Selbstliebe, die ein Individuum sich selber schenken kann und will. Diese Transformation gelingt normalerweise leider nur  den Co-Narzissten. 

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HEILUNG IST
MÖGLICH

Mit Geduld, Beharrlichkeit, Mut und unbedingtem Willen. Heilung ist nämlich ein tief greifender Prozess, der einem Menschen alles abverlangt, eine Transformation auf allen Ebenen: geistig, seelisch und auch körperlich. Es ist ein Prozess, der nicht immer einfach geradeaus geht, sondern zwischendurch auch mal einen Schritt rückwärts. Aber wer das Ziel nicht aus den Augen verliert, vollbringt tatsächlich ein seelisches und geistiges Erwachsen-werden, eine Befreiung aus dem geistigen Gefängnis, das meistens in der frühen Kindheit zum eigenen Schutz erbaut wurde. Der vollbringt den Sprung vom Überleben zum echten, lebendigen Leben, selbstbestimmt, selbstbewusst, souverän. Und das ist das größte Geschenk, welches man sich machen kann!

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